Sterben Vorleser bei langen Sätzen an Atemnot?

 

Ja, aber nur bei schlecht gebauten Sätzen.


Trotz erdrückender Faktenlage ein unerschöpfliches Thema für Lektoren und Rezensenten.

 

 

 

Wie lernen Kinder neue Wörter?

 

Indem sie die Wörter im Kontext einer Geschichte hören. Und nachfragen, wenn sie ihren Sinn nicht sicher entschlüsseln können. Auch dafür sind Vorleser unersetzlich.

Ein 6-jähriges Kind hat angeblich einen passiven Wortschatz von 15.000 Wörtern oder mehr. (Man fragt sich, wer das gezählt hat.) Wie viele neue Wörter hat das Kind also pro Tag bisher gelernt? Wie? Und woher?

Kinder sind gierig nach neuen Wörtern: Sie helfen, die Welt zu erfassen. Auch komisch verdrehte Ballaballa-Wörter.

Wörter, die Kindern womöglich unbekannt sind, versuche ich deshalb so zu verpacken, dass sich ihr Sinn spontan erschließt. Klappt natürlich nicht immer. (Bei Kindern lernt man nie aus.)

 

 

 

Was soll ich nur vorlesen?

 

Wenn alle meine Bücher bereits hoffnungslos zerlesen und zerfleddert sind und auch der letzte kleine Scherz entdeckt ist, steht mancher vor der Frage: Und nun?



 

Ein beherzter Griff zu den alten und modernen Klassikern der Kinderliteratur (Nesbit, Grahame, Milne, Lindgren, Preußler, Ende, Dahl usw.) kann da die Rettung sein – falls das heimische Bücherregal sie hergibt.

Ansonsten empfiehlt es sich, schnurstracks die nächste Bücherei zu stürmen. Die freundlichen Bibliothekare dort sind auf orientierungslose Erwachsene in Vorlesenöten bestens vorbereitet und gründlich trainiert, ob mit oder ohne Kind dabei. Einfach vorbeischauen!

Notfalls lassen sich auch online schöne Geschichten zum Vorlesen finden. Hier ein paar Tipps für 5- bis 8-Jährige, aufgestöbert im Projekt Gutenberg:


https://www.projekt-gutenberg.org/



 

Neben einer Fülle an Märchen und Fabeln aus aller Welt findet man hier auch die unverzichtbaren Märchen der Brüder Grimm und von Hans Christian Andersen:


https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/grimm.html

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/andersen.html



 

Warum diese Märchen? Der Junge, der sich als Ameise in des Teufels Großmutter Rockfalten versteckt hält, während sie den Teufel ausfragt und ihm die drei goldenen Haare ausreißt – dieser Junge war ich. Und das Kind, das dem Kaiser und allen Umstehenden zuruft: „Aber er hat ja gar nichts an!“ – dieses Kind war ich auch.



 

Dankenswerterweise sind beim Projekt Gutenberg auch die Bildergeschichten von Wilhelm Busch reichhaltig vertreten:

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/busch.html



 

Man stelle sich vor, ein Kinderbuchautor würde es heutzutage wagen, seinem Verlag ein Manuskript anzubieten, in dem die beiden Hauptfiguren (noch dazu die einzigen Kinder!) am Ende genüsslich durch die Mühle gedreht („Rickeracke! Rickeracke!“) und von Meister Müllers Federvieh aufgepickt werden – ei, ei, ei.



 

Auch „Peterchens Mondfahrt“ von Gerdt von Bassewitz ist hier zu finden, immer noch (vor-)lesenswert:

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/bassewit.html


(Das Kapitel „Der Kampf mit dem Mondmann“ ist nichts für schreckhafte Kinder.)



 

Die Dschungelbücher von Rudyard Kipling sind eher für etwas ältere Kinder gedacht. Übrigens: Der tapfere kleine Mungo, der in „Rikki-Tikki-Tavi“ das Kind vor den Schlangen rettet – der war ich auch:

https://www.projekt-gutenberg.org/kipling/dbuch/chap009.html

 

Genau richtig für 5- bis 8-Jährige sind aber Kiplings „Just so Stories“ – am bekanntesten daraus ist wohl „Wie das Elefantenkind seinen Rüssel bekam“. Dieses Geschichtenbuch gibt es unter verschiedenen deutschen Titeln und Übersetzungen, ich kenne es noch unter dem etwas fragwürdigen Titel „Das kommt davon“. Hier bei Projekt Gutenberg ist das Buch als „Nur so Geschichten“ zu finden, nebst der englischen Originalfassung:

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/kipling.html



 

Ca. ab 8 Jahren kann man es wohl auch einmal mit „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll probieren:


https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/carroll.html


Carroll selbst hat versucht, seine Alice für kleinere Kinder neu zu schreiben – das Ergebnis ist leider eine absolute Katastrophe.



 

Als wuchtvoller Vorleseklassiker voll Drama und Geschrei („Mehr, mehr!“) ist „Der kleine Häwelmann“ von Theodor Storm unverwüstlich – unbedingt empfehlenswert, dazu angenehm kurz:


https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/storm.html



„Ich illuminiere!"

 

Auch bei Johann Peter Hebel lassen sich für Kinder einige Perlen finden, im „Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes“:


https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/hebel.html

 



Der Hausfreund? Aber ja, ja! Man denke nur an die lehrreiche Geschichte „Seltsamer Spazierritt“:


https://www.projekt-gutenberg.org/hebel/hausfreu/chap154.html



 

Auf dem englischsprachigen „Project Gutenberg“ sind ebenfalls Kinderbücher auf Deutsch zu finden, dort auch zum Download in verschiedenen Formaten. Hier sind alle deutschsprachigen Bücher und Hörbücher versammelt:


https://www.gutenberg.org/ebooks/bookshelf/376

 

Und wer nach englischsprachigen Kinderbuchklassikern sucht, wird in diesen virtuellen Kinderbuchregalen fündig:


https://www.gutenberg.org/ebooks/bookshelves/search/?query=children%7Cchristmas%7Cchild%7Cschool

 

Ich hoffe, ich konnte ein wenig behilflich sein.